Einladung von Hillary
Kampf für Frauen: Deutscher erhält Hilfe aus Washington
In Deutschland ist die Nichtregierungsorganisation Wadi noch nicht so bekannt, aber umso mehr freute sich Wadi-Chef Thomas von der Osten-Sacken über die Einladung aus Washington - von Hillary Clinton. "Wir haben einen Durchbruch für die Frauen erreicht", freut sich der Frankfurter, der kürzlich aus der US-Hauptstadt zurückgekehrt ist. Mit seiner Organisation kämpft der 43-Jährige seit Jahren gegen Genitalverstümmelung. Und nun habe die US-Außenministerin das Thema zur Chefsache erklärt: "Endlich bekommt das Problem eine globale Dimension."
Wadi arbeitet seit vielen Jahren im kurdischen Nordirak. Und ist durch Zufall auf die grausame Methode aufmerksam geworden, bei denen Mädchen die Genitalien teilweise oder komplett abgeschnitten werden. Wadi begann in den 90er-Jahren, beim Wiederaufbau der von Saddam Husseins Armee zerstörten Dörfer zu helfen. Da viele Männer im Kampf gegen Saddam gestorben waren, hatte Wadi vermehrt mit Frauen zu tun. "Als ob die Frauen nur auf diese Gelegenheit gewartet hätten, sich endlich mitteilen zu können, erzählten sie von den anhaltenden Schmerzen, die ihnen als Kind widerfahren sind", sagt von der Osten-Sacken. Im Alter von acht Jahren werden die Mädchen in Kurdistan beschnitten. "Sie fehlen dann einige Tage in der Schule", beschrieb eine Lehrerin die Situation, "dann weiß ich, was Sache ist." Wadis Sozialarbeiterteams haben Dörfer gefunden, wo mehr als 90 Prozent der Frauen verstümmelt sind.
Um das Problem systematisch zu erfassen, entwarf Wadi einen Fragebogen und schickte weibliche Sozialteams in die Städte und Dörfer Irakisch-Kurdistans. Die erschreckende Bilanz: Mehr als 60 Prozent aller kurdischen Frauen sind verstümmelt. Das betrifft vor allem Frauen in Dörfern entlang der Grenze zum Iran, aber in geringerem Umfang auch in Städten wie Suleimanija und Erbil. "Als wir den Bericht dem Gesundheitsminister der kurdischen Regionalregierung vorstellten, wies er ihn weit von sich und bezeichnete uns als Lügner", erinnert sich der Wadi-Chef. Eine Umfrage unter den Ministeriumsmitarbeiterinnen habe dann allerdings ergeben, dass selbst dort fast die Hälfte der Frauen verstümmelt sei.
Inzwischen hat das kurdische Regionalparlament im Irak ein Gesetz zum Verbot von Genitalverstümmelung verabschiedet. Doch über die Durchsetzung macht sich von der Osten-Sacken Sorgen. Denn es gibt heftigen Widerstand seitens der Mullahs und der Konservativen gegen dieses Gesetz, das als Verstoß gegen die Scharia bewertet wird. Dieser Konflikt zwischen weltlichem und islamischem Recht sei derzeit überall in der arabischen Welt zu beobachten und ginge weit über die Region Kurdistan hinaus, sagt von der Osten-Sacken. Auch in den sogenannten Revolutionsländern stelle sich immer mehr die Frage, wer eigentlich die Gesetze mache und wie sie gehandhabt werden. "Kurdistan ist hierfür erst der Anfang." So hat die bei der ägyptischen Parlamentswahl erfolgreiche Nur-Partei der Salafisten erklärt, sie wollten das seit 2005 in Ägypten geltende Verstümmelungsverbot überprüfen und nach religiösen Kriterien neu bewerten.