Verbot weiblicher Genitalverstümmlung in Irakisch-Kurdistan in Aussicht
Kampagne gegen FGM findet Unterstützung bei Abgeordneten und Regierungsbeamten
Ein Verbot weiblicher Genitalverstümmlung in der kurdischen Autonomieregion des Irak scheint immer wahrscheinlicher. Entsprechende Rückmeldungen hat die Kampagne »Stop FGM in Kurdistan« aus dem Regionalparlament und aus Regierungskreisen erhalten. Im Prinzip hat sich der Frauenausschuss des kurdischen Regionalparlaments bereits hinter die Forderung nach einem rechtlichen Verbot weiblicher Genitalverstümmlung gestellt. Unterstützung erhält die Gesetzesinitiative auch von prominenten Politikerinnen und Politikern der Region, wie der Staatssekretärin für Frauenangelegenheiten, Dr. Jinan Qasim, der Sprecherin der Parlamentarierinnengruppe, Pachschan Zangana, und dem Parlamentspräsidenten Adnan Mufti. Ein entsprechender Gesetzantrag soll nach der Sommerpause eingereicht werden. Geprüft werde noch, ob das rechtliche Verbot weiblicher Genitalverstümmlung gesondert eingebracht wird oder im Zusammenhang mit weiteren Gesetzinitiativen, die sich gegen häusliche Gewalt gegen Frauen richten. Die kurdische Autonomieregion im Irak könnte damit schon bald über das erste Gesetz zum Verbot weiblicher Genitalverstümmlung in der gesamten Region verfügen. WADI hat in den vergangenen Jahren Befragungen in 116 verschiedenen Dörfern der Region vorgenommen; von 3665 befragten Frauen und Mädchen waren 2403 verstümmelt, dies enstpricht einer Quote von 65%
Stop FGM in Kurdistan: 14.000 Unterstützer
Die Gesetzesinitiative geht zurück auf die Kampagne »Stop FGM in Kurdistan« (www.stopfgmkurdistan.org), die im April mit einem entsprechenden Appell an die Öffentlichkeit trat und in kurzer Zeit über 14.000 Unterstützer fand. Stop FGM in Kurdistan ist ein Zusammenschluss von lokalen Frauen- und Menschenrechtsorganisationen, Ärztinnen und Anwältinnen und wird unterstützt von der deutsch-österreichischen Hilfsorganisation WADI. Erst 2005 hatte die Organisation, die seit Anfang der 1990er Jahre Programme zur nachhaltigen Förderung und Gleichstellung von Frauen in der Region unterstützt, die Existenz weiblicher Genitalverstümmlung im Nordirak öffentlich gemacht. "Bis dahin galt FGM als ein Problem afrikanischer Staaten", erklärt Suaad Abdulrahman, die Projektkoordinatorin für Stärkung von Frauen von WADI. "Über dem Thema hängt ein Tabu, das die Frauen darin gehindert hat, über ihre Probleme zu sprechen"
Beginn einer öffentlichen Diskussion
Das hat sich geändert. Die Kampagne, die unter anderem mit großflächige Anzeigen in lokalen Zeitungen und Fernsehspots auf das Problem aufmerksam macht, hat FGM zu einem Thema gemacht, über das gesprochen wird. Ungleichbehandlung und Gewalt gegen Frauen werden derzeit heiß diskutiert im kurdischen Nordirak. Erst unlängst haben über das Internet verbreitete Aufnahmen, die den Mord an einer yezidischen Frau zeigen, für Aufsehen gesorgt. Wie Genitalverstümmlung, so ist auch die sog. »Gewalt der Ehre« ein verbreitetes und gleichwohl verschwiegenes Problem der Region. Angesichts der aktuellen Diskussionen hat die kurdische Regionalregierung eine Gesetzesinitiative auch hierzu angekündigt.
Verbote alleine reichen nicht aus
Ein rechtliches Verbot weiblicher Genitalverstümmlung wäre ein großer Erfolg für die Kampagne. Die beteiligten Organisationen sind sich gleichwohl einig, dass Verbote alleine das Problem nicht lösen können. FGM (Female Genital Mutilation) ist eine gesellschaftlich tief verwurzelte Praxis, die vor Ort sowohl traditional als auch islamisch begründet wird. Aufklärung und Unterstützung müssen daher mit dem Verbot einhergehen, Ursachen und Wirkungsweisen von FGM genauer untersucht werden. Eine groß angelegte wissenschaftliche Erhebung über Genitalverstümmlung soll im Sommer beginnen. Zudem ist eine von internationalen Organisationen, wie der Schweizer Caritas unterstützte Studie wird von der Organisationen WADI durchgeführt und betreut werden. Bereits jetzt führt WADI ein Aufklärungsprogramm durch und sucht Frauen vor allem in ländlichen Gebieten auf. Gemeinsam mit Vertretern der Ministerin für Gesundheit, Erziehung, religiöse Angelegenheiten und Justiz ist die Schaffung von Expertengruppen geplant, um den Kampf gegen FGM in Schulen, Krankenhäusern, durch Medienkampagnen und über die Moscheen zu koordinieren.
Demokratische Initiative
Die bisherigen Erfolge im Kampf gegen FGM seien auf vorbildlich demokratischer Weise erreicht worden und damit ein Beispiel für mögliche zivilgesellschaftlichen Aktivitäten im Irak und Irakisch Kurdistan, erklärt Falah Muradkin, Projektleiter von WADI im Irak. „Noch nie hat es eine Petition ans Parlament gegeben, die auf so große Resonanz gestoßen ist.“ Sowohl Parlament als auch Exekutive hätten von Anfang an auf den öffentlichen Druck positiv reagiert und auch die Medien der Region die Kampagne mit Aufmerksamkei verfolgt.
Wie Cheman Rashid, Vertreterin von WADI in der kurdischen Hauptstadt Arbil erklärte, sei diese Kampagne nicht nur für Irakisch-Kurdistan wichtig: „Es gibt Indizien, dass FGM in der ganzen Region verbreitet ist. In den anderen Ländern, wie Syrien oder dem Iran existiert allerdings keine Öffentlichkeit. Schon jetzt kontaktieren uns viele Frauen aus anderen Ländern der Region und wünschen uns viel Erfolg, denn sie hoffen, dass auch dort ähnliche Initiativen entstehen könnten.“
Kritik an der UN
Bislang, so kritisiert WADI, gebe es keinerlei Unterstützung dieser Kampagne durch die UN, die doch den Kampf gegen Genitalverstümmelung zu einer ihrer wichtigen Aufgaben gemacht habe. Von UN, der EU und anderen westlichen Staaten und Gebern fordert WADI deshalb eine logistische und materielle Förderung dieser Kampagne.